Teil 3: Kerstin Laube im Interview
Kerstin Laube ist die Leitung des Studiengangs „Bühnenbild und Szenischer Raum“ an der Technischen Universität Berlin. Sie hat sich Ende letzten Jahres Zeit für ein Interview mit uns genommen und uns einen Blick in die Ateliers erlaubt.
Neben Bühnenbild/Szenischer Raum werden die Studenten auch in Regie, Schauspiel- und Musiktheatergeschichte sowie Kostümgeschichte unterrichtet. Hinzu kommen die Module “Raumtheorie” und “Kommunikation im Raum”. Darunter kann man sich jetzt als Laie nicht allzu viel vorstellen. Was steckt denn dahinter?
Raumtheorie ist das theoretische Pendant zum Kostüm- und Bühnenbild. Der Studiengang heißt ja “Bühnenbild und Szenischer Raum” wobei auch der Raum im weitesten Sinne betrachtet wird. Wir sind ja auch eng mit der Architektur verknüpft. Raumtheorie ist ein theoretischer Kurs, in dem Texte gelesen werden und, in dem wir uns mit Raumphänomenen beschäftigen und die Studierenden eng eingebunden werden, also auch einbringen können, was sie interessiert, was sie gerne machen möchten. Wir sprechen auch über die Philosophie des Raumes und fragen “was ist eigentlich Raum und was kann man damit machen?”. Dies geschieht auch anhand ganz konkreter Projekte. Eines dieser Projekte ist jetzt aktuell eine Ausstellungsgestaltung, bei der wir die Szenografie für “Zu Vermessen” in Potsdam machen. Da geht es unter anderem um die Geschichte des Textilhandwerks in Brandenburg .
Der Studiengang setzt einen Bachelor in einem verwandten Berufsfeld voraus: Beispielsweise in Architektur, Theaterwissenschaften oder Regie. Woher kommen die meisten Bewerber? Gibt es deutliche Umterschiede darin, wie Leute mit unterschiedlichen Vorkenntnissen an ein Thema herangehen?
Im Schnitt kommen 40 bis 50 Prozent der Studierenden aus der Architektur, andere kommen aus der Freien Kunst, dem Design (z.B.Produkt-oder Modedesign), der Kostümgestaltung oder haben im Ausland schon Bühnenbild studiert und wollen das hier in Berlin noch einmal vertiefen. Dann haben wir einige Theater- und Kulturwissenschaftler, die aber schon in ihrem Beruf am Theater gearbeitet haben und somit auch schon Praxiserfahrung mitbringen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Architekten , Designern und Theoretikern, also den Kulturwissenschaftlern. Die Archtiekten wollen oft gleich etwas bauen und losbasteln , die Kulturwissenschaftler gehen stärker inhaltlich an diese Aufgaben heran. Das befruchtet sich aber gegenseitig sehr gut. Das Interdisziplinäre ist auch ein Merkmal des Studiengangs.
Ist es eine besondere Sorte Mensch, der diese Laufbahn einschlägt? Gibt es bestimmte Charakterzüge die immer wieder auftauchen?
Man braucht eine Affinität zur Kommunikation. Das hat sich stark verändert. Früher war man der Künstler im stillen Kämmerlein, heute ist das Arbeiten viel team-orientierter. Man sollte gern mit Menschen zu tun haben, da man ja auch viel mit Schauspielern, Musikern, anderen Künstlern zusammenarbeitet. Und man muss seinen eigenen Weg gehen wollen. Es gibt kein konkretes Konzept, wohin es nach dem Studiengang für die Absolventen geht. Wir versuchen unsere Studierenden zur Selbständigkeit zu erziehen. Man muss in der Lage sein, sich durchzusetzen und sollte nicht darauf hoffen, dass jemand kommt, der einem eine Anleitung gibt, wie es weitergeht. Da braucht man viele Kontakte, aber auch Glück, die richtigen Regisseure kennen zu lernen. Der Kampfgeist muss dann auch stark ausgeprägt sein, die Leidenschaft für den Beruf, denn zuweilem muss man Durststrecken durchhalten.
Das Bühnenbild-Studium an der TU ist mit 2000 Euro pro Semester ja nicht gerade billig. Führt das nicht zu einem elitären System?
Das denkt man. Es sind sehr viele Frauen hier. Von den letzten 18 Studenten hatten wir nur maximal vier Männer. Frauen nehmen sich mehr Zeit für ihre Ausbildung, während Männer oft lieber schneller Geld verdienen wollen. Elitär würd ich das nicht nennen. Wir haben einige Studentinnen aus Italien und Frankreich, die noch von den Eltern gefördert werden, weil sie sehr jung sind, andere haben Stipendien von der DAAD und bekommen ca 1000 Euro pro Monat. Im Vergleich zu dem, was man im Ausland und gerade in Amerika an Universitäten bezahlt, ist das auch gar nicht viel. Dafür bekommen die Studierenden hier eine wirklich erstklassige, intensive, praxisorientierte Betreuung. Die Materialkosten werden durch die Studiengebühren auch gedeckt. Außerdem haben die Studenten hier eigene Ateliers. Der Studiengang ist in erster Linie eine Weiterbildung und die meisten arbeiten parallel in Jobs. Die Freitage und die Semesterferien sind komplett frei, da gibt es genug Zeit, in Projekten zu arbeiten und dennoch nebenbei Geld zu verdienen.
Wo machen die Studierenden ihre Praktika?
Sie gehen natürlich hier an die Berliner Theater, also an die Schaubühne, die Volksbühne, das Deutsche Theater oder das Maxim Gorki Theater. Einige von denen, die stärker in Richtung Ausstellungsgestaltung tendieren, sind auch in Werbeagenturen tätig. Da gibt es ein bisschen mehr Geld. Ganz viele machen auch eigene Projekte z.B. in der Filmausstattung. Da werden wir von Babelsberg immer wieder angefragt. Das sind kleine Projekte, wo die Studenten dann auch nicht nur assistieren sondern gleich die ganze Ausstattung übernehmen.
Ich habe in einem Artikel Ihres Kollegen Hartmut Meyer gelesen, dass die Regieassistenz häufig nicht den Weg ins Berufsleben ebnet. Wie findet ein Alumnus seinen ersten richtigen Job?
Unser Konzept ist, dass die Studierenden schon während der Ausbildung die Kontakte knüpfen. Wir haben eine Kooperation mit der Berliner Musikochschule Hans Eisler für Opernregie. Zudem haben wir ausschließlich Dozenten aus der Praxis, die hier lehren. Da ergeben sich so viele Kontakte, dass die Hälfte der Studenten gleich nach dem Studium oder schon währenddessen einen Job finden. Auch gegen die Festassistenz habe ich nichts, da ja hier in Berlin sehr viel produziert wird. Man sollte das meiner Ansicht nach nur nicht viel länger als ein Jahr machen, denn sonst wird man vom Assistieren so verschlungen, dass die eigene Kreativität auf der Strecke bleibt.
Sie sind ursprünglich Architektin, haben unter anderem die Wista in Adlershof mitgestaltet. Viele Kollegen vereinen Architektur und Bühnenbild. Ist das eine das philistinische Stand- und das andere das künstlerische Spielbein?
Ich wusste eigentlich überhaupt nichts über den Beruf des Bühnenbildners. Ich komme aus Bensberg bei Köln. Das ist eine Kleinstadt, da gab es das nicht. Ich wollte immer etwas Künstlerisches machen aber meine Eltern haben mir damals davon abgeraten. Mein Vater war Bauingenieur und sagte mir “mach doch Architektur”. Ich habe dann auch ganz klassisch erst einmal Architektur studiert. Dann bin ich nach Berlin an die UdK gewechselt und hatte ein Schlüsselerlebnis, als ich als Studentin zum ersten Mal in der Volksbühne am Rosa_Luxemburg Platz saß. Die Karten kosteten damals fünf Mark. Ich habe mir jede Vorstellung angesehen und wusste “da” muss ich hin”. Eine Zeit lang habe ich noch parallel als Architektin gearbeitet, aber irgendwann hat es sich rauskristallisiert, dass Bühnenbild für mich das Richtige ist. Inzwischen ist es als Architekt genauso schwierig wie als Bühnenbildner, auch in der Architektur ist der Arbeitsmarkt hart umkämpft. Die meisten Studierenden, die hierher kommen, haben einen Bachelor in Architektur und während des Erststudiums bemerkt, dass sie lieber etwas Kreativeres machen wollen. Man profitiert als Bühnenbildner sehr stark von dieser Architektur-Grundausbildung. Man wird anders wahrgenommen, wenn man Entwürfe richtig aufzeichnen und technisch mitdenken kann.
Sie haben in diversen Produktionen in ganz Deutschland von Hamburg über Sachsen bis NRW mitgewirkt. Muss man sich auf ein Nomadenleben einstellen, wenn man Bühnenbild studiert?
Absolut. Das ist durchaus etwas, was man sich überlegen muss. Projekte gibt es überall und man reist meistens mit dem Regisseur mit. Es sei denn, man wird Ausstattungsleiter an einem Haus, aber das schafft man noch nicht, wenn man jung ist. In den ersten zehn Jahren ist man auf jeden Fall erst einmal Nomade. Am Anfang ist das ganz spannend aber irgendwann erreicht man den Punkt, wo man sagt “das kenn ich jetzt schon”. Ich finde es aber trotzdem immer noch eine Herausforderung, hin und wieder an ein neues Haus zu gehen, wenn es ein tolles Projekt ist und/oder die Projektpartner sehr interessant sind. .
Es gibt ja sogenannte Ehen, in denen Regisseure und Bühnenbildner über Jahre hinweg eng zusammenarbeiten. Meistens ist es aber so, daß ein Regisseur mehrere Bühnenbildner an der Hand hat und umgekehrt. Man ist also nicht permanent nur mit einem Partner zusammen sondern arbeitet abwechselnd in verschiedenen teams. Es ist eine sehr enge Zusammenarbeit. Im Vorfeld gibt es ca ein Jahr Vorbereitungszeit, dann die Probenarbeit am Theater. Da muss man schon gut aufeinander eingespielt sein.
In der Deutschen Oper haben Sie zuletzt an “OHIO” mitgearbeitet. Stellt Musiktheater andere Ansprüche an einen Bühnenbildner als Sprechtheater?
“OHIO” war schon ein experimentelleres Format, weil es drei kleine zeitgenössische Musiktheterstücke an einem Abend waren. Es waren beinahe Schauspiellibretti und es wurde auch viel während der Proben entwickelt, was eher schauspieltypisch ist. Man hatte zwar ein Gesamtbühnenbild, das schon sehr lange im Vorhinein geplant war, aber andere Aspekte waren sehr nah am Schauspiel. Beim Musiktheater gibt es normalerweise mehr Ausstattungsetat als beim Schauspiel. Außerdem muss der Bühnenbildner früher konzeptioneller denken. Eine Oper ist näher an der Architektur, da gibt es einen Entwurf und der wird dann gebaut, während im Schauspiel vieles noch während der Entstehung verändert wird. Im Musiktheater gibt die Musik auch eine Struktur vor, an die man gebunden ist. Im Sprechtheater wird zuweilen noch spät viel umgestellt und gegen den Strich gebürstet. Das geht in dieser Form im Musiktheater eher nicht.
Das Interview führte: Julia Weber