
Foto: (c) Stiftung Creative Kirche
Es ist der Morgen des 29. Oktober. Menschenmengen strömen in Richtung der Mercedes-Benz Arena in Berlin. Fast alle tragen sie schwarze Hosen und weiße Oberteile unter den dicken Jacken.
„Dieser Wind“, beschweren sich einige. Es ist ganz schön kalt und Sturm Herwart wird manchen noch viel Freude bereiten.
Aus ganz Deutschland sind sie angereist. Jung und alt, groß und klein, insgesamt über 4000 Leute – mit einem einzigen Ziel: Mitsingen beim Pop-Oratorium „Luther“ von Michael Kunze (Text) und Dieter Falk (Musik). In kleinen Projektchören oder auch ganz alleine haben sie sich in den letzten Monaten vorbereitet um bei diesem Event dabei zu sein. Spannung liegt in der Luft, denn eine Gesamtprobe mit allen Teilnehmern gab es bisher nicht. Einige Hauptproben hat es gegeben, allerdings war auch bei diesen nie der gesamte Chor anwesend, fehlten Solisten, Band und Orchester.
„Wo muss ich denn hin“, fragt jemand und vergleicht die Nummer auf dem roten „Luther“-Teilnehmerausweis mit der Nummer an der Tür vor ihm, schaut dann auf den Hallenplan und macht sich auf den Weg Richtung Aufzug. 4000 Sänger wollen untergebracht werden. Einige sitzen dafür sogar ganz oben unterm Dach. Gut 200 Sänger finden auf der Bühne rund um Band und Solisten Platz, der Rest verteilt sich auf die dahinter liegenden Ränge.
Aufgrund der großen Nachfrage nach Tickets wurde die Generalprobe für Publikum geöffnet. Es muss also alles auf Anhieb sitzen. Für eine kurze Stellprobe, einige letzte Ansagen zur Choreographie und einige musikalische und organisatorische Kleinigkeiten bleibt noch Zeit, dann ist auch schon Einlass.
Die Uraufführung von Luther in Dortmund liegt nun schon zwei Jahre zurück. Anlässlich des Reformationsjahres 2017 gab es die Tournee, als deren Finale die Show in Berlin geplant war. Doch „Luther“ ist längst ein Selbstläufer geworden. Neben den großen Aufführungen in der ganzen Bundesrepublik gibt es inzwischen auch unzählige kleinere Produktionen. „Luther“ begeistert und steckt an. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich musikalisch Ohrwurm an Ohrwurm reiht. Das Projekt hat mitsing- und mitklatsch-Potential, was auch das Publikum in der Mercedes-Benz Arena schnell bemerkt.
Einige der Chorsänger saßen bei einer der vorigen Aufführungen im Publikum, andere machen schon zum zweiten oder gar dritten Mal beim Projekt mit. Es bleibt trotzdem spannend. Die Berliner Aufführung ist größer als alle bis dahin dagewesenen. Um es überhaupt möglich zu machen, dass so viele Musiker und Sänger wirklich synchron agieren, gibt es gleich mehrere Dirigenten. Ein Klick-Track läuft über Kopfhörer mit, damit die Einsätze auf den Punkt kommen. Der technische Aufwand ist immens, für Berlin noch einmal mehr als für die anderen Arena-Aufführungen. Hier müssen zusätzlich zu Ton und Licht auch noch eine ganze Menge Kameras koordiniert werden, denn sowohl Generalprobe als auch Abendaufführung werden fürs Fernsehen mitgeschnitten.

Foto: Julia Weber
Während die Hauptdarsteller (Frank Winkels, Sophie Berner, Andreas Wolfram u.a.) sich zwischen den Aufführungen kurz zurückziehen, bleibt dem Chor gerade einmal genug Zeit für eine Pinkelpause. Im Foyer werden Listen für Mitfahrgelegenheiten ausgehängt, denn da die Bahn nicht mehr fährt, sind nun einige Sänger in Berlin gestrandet.
Danach heißt es, erneute Stellprobe, denn einige Sänger haben es nicht zur Generalprobe geschafft – dem Sturm sei Dank – und brauchen jetzt noch einen Platz.
„Und dann müssen wir noch mal in Nummer 11“, erklärt Hauptdirigent Heribert Feckler. „Da müsst ihr schneller absprechen, zieht das nicht so lang, das schleppt sonst. Und in Nummer 14, die ersten „Zweifel“ und „Fragen“ kommen immer zu spät. Das muss direkt kommen.“
Nach einem Dankeschön von Dieter Falk an das gesamte Team und einem kurzen gemeinsamen Gebet geht es auch schon in die Endrunde. Vor ausverkauftem Haus geben Band, Solisten, Orchester und 4000 begeisterte Hobby-Chorsänger alles. Als der Schlussapplaus verklungen ist und man sich in kleineren oder größeren Grüppchen wieder auf den Heimweg macht, scheinen sich alle einig: „Es hat sich gelohnt, bei diesem Projekt dabei gewesen zu sein.“
„Luther – Das Projekt der 1000 Stimmen“ wird am 31.10.2017 um 22:00 im ZDF ausgestrahlt.
Text: Julia Weber