Die Geschichte von Orpheus, der in die Unterwelt hinabstieg um seine Geliebte Eurydike ins Leben zurück zu holen ist sicherlich eine der bekanntesten griechischen Sagen. In „Au Revoir Euridice“, einer Kooperation der Oper Leipzig mit der Schaubühne Lindenfels erlebt der Zuschauer basierend auf dieser Geschichte eine musikalische Collage aus barocker und neuer Musik, die sich überraschend gut zu einem Ganzen fügt.

Foto: Tom Schulze
Claudio Monteverdis Oper „L’Orfeo“ gilt als die erste wirkliche Oper der Geschichte. Die Handlung ist klassisch und schnell zusammengefasst. Orfeo und Euridice heiraten, sie stirbt, er folgt ihr in die Unterwelt und versucht die Götter zu überreden, sie ihm wiederzugeben. Proserpina (Lisa Forhammer) lässt sich von Orfeos Spiel beeindrucken und bittet ihren Gemahl Plutone, seiner Bitte nachzukommen, was dieser unter zwei Bedingungen tut: Proserpina darf die Unterwelt nie wieder verlassen (was den ewigen Winter auf Erden zur Folge hätte) und Orfeo darf sich auf dem Weg nach oben nicht nach Euridice umdrehen. Er tut es trotzdem und verliert sie für immer.
Die Geschichte des Sängers Orfeo war der perfekte Stoff für die erste Oper der Geschichte. Seitdem wurde sie oft aufgegriffen, interpretiert und von allen Seiten beleuchtet. Die Figur des Orfeo wirft Fragen auf. Ist er wirklich verliebt in Euridice oder benutzt er die Liebe nur um sich selbst darzustellen? In der Inszenierung „Au Revoir, Euridice“ kommt eher die letzte Interpretation zum Tragen. Gerade während der Hochzeitsszene erlebt man Orfeo (Patrick Vogel) als mit stolzgeschwellter Brust dahinschreitenden Egomanen, der lauthals seine Liebe zu jener Frau verkündet, die im Hintergrund ein wenig einsam herumsteht. Ihren Tod bekommt er erst auf den letzten Drücker mit, um im nächsten Moment in eine Verzweiflung zu verfallen, die auch weniger auf seine Braut als auf die Zerstörung seines Lebensplanes gerichtet zu sein scheint.
„Au Revoir, Euridice“ verbindet drei verschiedene Kompositionen miteinander. Das barocke „L’Orfeo“ wird umrahmt von Georges Asphergis „Récitation Nr. 9“ und durchbrochen von Auszügen aus Györgi Ligeti’s „Aventures“ und „Nouvelles Aventures“, die auf einer Kunstsprache beruhen, mit der Ligeti versuchte, die Differenz zwischen Text und Musik aufzubrechen. Ligeti’s Kompositionen erhalten immer dann Raum, wenn die Figuren von „L’Orfeo“ nicht mehr weiter wissen, sprachlos sind, werden an einigen Stellen jedoch auch als Comedy Relief eingesetzt, wie etwa wenn die leblos daliegende Euridice in der Unterwelt „wiederbelebt“ wird.
Das Bühnenbild (Bühne und Kostüm: Elisabeth Schiller-Witzmann) ist reduziert auf eine schwarze sich nach hinten verjüngende schiefe Ebene, zwei runde Leinwände und einige alte Kristallleuchter. Die Kostüme verbinden – angepasst an die Musik – moderne Elemente mit barocken Einflüssen. So tritt Orfeo im Gehrock auf und trägt La Musica/Mesaaggiera (Estelle Haussner) eine hoch aufragende gepuderte Perücke, während Pastore (Viktor Rud) und Plutone (Jean-Baptiste Mouret) mit recht „gewöhnlich“ anmutenden Anzügen ausgestattet wurden.
Euridice (Shira Patchornik), in „L’Orfeo“ trotz ihrer wichtigen Rolle beinahe stumm und mit nur zwei kurzen Gesangs-Parts, bekommt in „Au Revoir, Euridice“ zwei Tänzerinnen (Alicia Valera Carballo und Juliette Rahon) zur Seite gestellt, die ihre Gedanken und Gefühle wiederspiegeln sollen. Insbesondere im Abschlussstück, das Euridice als zusätzliches Solo klagend, verzweifelt und weinend aus dem Off singt, wird diese Verbindung deutlich.
Gesanglich ist „Au Revoir, Euridice“ hervorragend. Musikalisch ist die Kombination aus alter und neuer Musik eine Gratwanderung, die dank der großartigen Sänger und den Musikern des Gewandhausorchesters vortrefflich gelingt. Die Übergänge zwischen den einzelnen „Puzzleteilen“ wirken sehr natürlich. Wer sich auf den Stilmix einlässt, wird mit einem vielschichtig und spannend gestalteten Stück belohnt.
Text: Julia Weber