Aktuelle Thematik – „Die Juxheirat“ in der Musikalischen Komödie Leipzig

Die Musikalische Komödie zeigt mit “Die Juxheirat” eine der weniger bekannten Operetten von Franz Léhar (Inszenierung: Thomas Schendel). Schmissige Melodien und das immer noch aktuelle Thema der Verteilung der Geschlechterrollen sorgen für einen vergnüglichen Abend.

Foto: Tom Schulze

“Die Juxheirat” feierte im Jahr 1904 Premiere, ein Jahr vor Léhars wesentlich bekannterer Operette “Die lustige Witwe”. Die Thematik des Stücks ist immer noch aktuell. Es geht um Männer und Frauen, um Selbstbestimmung und Geschlechterrollen. Doch so sehr diese Thematik uns heute weiterhin beschäftigt, man merkt dem Material sein Alter mitunter doch stark an.

In der Villa der Brockwillers, einem protzigen Gebäude mit goldenen Säulen und Meerblick (Bühne: Stephan von Wedel) ist immer etwas los. Hausherr Thomas Brockwiller (Michael Raschle) ist Inhaber einer Automobilfirma und dadurch zum Milliardär geworden. “Neuer Adel,” wie der Haushofmeister (Mario Ramos) abfällig anmerkt. „Wo die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten“.

Brockwillers Tochter Selma hat nach einer gescheiterten Ehe mit einigen ihrer Freundinnen die Gruppe LvM – “Los vom Mann” – gegründet und lehnt alle weiteren Heiratskandidaten rundheraus ab. Als Harold von Reckenburg (Adam Sanchez) sich ankündigt ist sie dann auch fest entschlossen, diesen ebenfalls abzuweisen. Doch als eine Besucherin die sich als Miss Grant (Theresa Maria Romes) vorstellt, erklärt es handle sich bei Reckenburg in Wahrheit um dessen Schwester, der Selma einst den Mann ausgespannt hat und die sich auf diese Weise an ihr rächen möchte, beschließt Selma, sich einen Jux zu machen und auf das Werben einzugehen. In Wahrheit ist Grant jedoch besagte Schwester und Harold ist tatsächlich keine Frau in Herrenkleidung sondern ein Mann.

Auch in den Nebenhandlungen geht es um die Dynamik von Mann und Frau. Hier belästigt Brockwiller der wesentlich jüngere Klavierlehrerin Fräulein Edith (Julia Ebert), dort kommt von Reckenburgs Chauffeur Philly (Andreas Rainer) in die Bredouille weil er gleich mit zwei seiner ehemaligen Verlobten (Mirjam Neururer als Miss Phoebe und Nora Lentner als Miss Euphrasia) zusammentrifft. Und Selmas Bruder Captain Arthur (Jeffery Krueger) landet prompt mit Miss Grant im Bett kaum dass er ihr zum ersten Mal begegnet ist und spricht plötzlich von Liebe.

Am Ende stehen drei glückliche Pärchen auf der Bühne, scheinbar Beweis dass eben doch jede Frau einen Mann braucht, dass alles Sträuben gegen die Natur sich nicht lohnt. Doch “Die Juxheirat” hat durchaus Untertöne, die in eine völlig andere Richtung gehen. Was Selma und ihre Freundinnen final davon überzeugt, dass von Reckenburg eine Frau sein muss ist als sie beobachten wie Chauffeur Philly ihm im Rollenspiel beizubringen versucht, wie er sich der Milliardenerbin nähern solle. Auch Philly’s freundschaftlicher Umgang mit dem Haushofmeister ließe sich aus heutiger Sicht leicht als mehr als eine reine Männerfreundschaft interpretieren.

Während also einige der Grundstrukturen und Grundgedanken des Stückes durchaus in unsere Zeit übertragen werden können, gibt es immer wieder Textabschnitte, die aus heutiger Sicht nur als problematisch gelten können. Gegen Ende des ersten Aktes vergleicht Philly Frauen tatsächlich mit Essen. Auch die Aussage von Selmas Freundin Miss Euphrasia „Auf meinem Grabstein wird stehen: Hier liegt eine Jungfrau“ reflektiert eine Auffassung von Sex, die nicht mehr zeitgemäß sein kann. Daher ist es die richtige Entscheidung das Stück durch die Kostüme (Julia Burkhardt) klar in der Vergangenheit zu verwurzeln, wodurch diese inzwischen überholten Ansichten als das gesehen werden können: Amüsante Auswüchse der Zeit, in der „Die Juxheirat“ geschrieben und uraufgeführt wurde.

Das Ensemble der Musikalischen Komödie zeigt sich wie immer spielfreudig und zeigt eine qualitativ hervorragende Vorstellung. In schnelleren Gesangsabschnitten kommt es zu den für das Haus üblichen Überlagerungen zwischen dem großen Orchester und den Singstimmen, die das Verständnis der Texte etwas erschweren (Musikalische Leitung: Tobias Engeli), aber das tut dem Vergnügen kaum Abbruch. Wer über Momente historischen Chauvinismus hinwegsehen kann, wird bei „Die Juxheirat“ bestens unterhalten werden.

Text: Julia Weber

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