Thomas Borchert ist einer der ganz großen der Musical-Szene in Deutschland. Dementsprechend groß ist seine Fanbasis. Bei “SPONTAINMENT”, seiner neuen Improvisationsshow, die am 2. Juni im Schlossparktheater Premiere feierte, begibt er sich auf ungewohntes Terrain fernab der bekannten Musical-Melodien: Ein Experiment, das nicht immer glückt.
“Ein Mann, ein Klavier… kein Plan”, das ist der Untertitel der neuen Show von Thomas Borchert. Was sich dahinter verbirgt: Borchert stellt sich selbst die Aufgabe, das Publikum einen ganzen Abend zu unterhalten ohne auf Althergebrachtes zurückzugreifen. Alles wird improvisiert, nichts wurde vorher festgelegt. Das schließt jedoch auch aus, dass Borchert jene Nummern bringen kann, die ihn berühmt machten und die seine Karriere geprägt haben. Die Dauerbrenner aus „Tanz der Vampire“, die düsteren Songs aus „Dracula“ oder „Der Graf von Monte Christo“ bleiben außen vor. Während der Premiere ist das einzige kurze Nicken in Richtung eines bekannten Musicals ein Mini-Anspieler der ersten Takte von “Dies ist die Stunde” aus “Jekyll und Hyde” mit dem der Sänger illustriert, was passieren kann, wenn der Dirigent wahlweise Schlaftabletten oder zu viel Kaffee intus hat.
Der Rest ist Improvisation. Die Bühne ist bis auf das Klavier leer, das Borchert gewohnt virtuos durch alle Genres vom Jazz über den Boogie bis hin zur Klassik jagt. Der Abend beginnt mit einem Lied über „Leni“ aus der vierzehnten Reihe, das durchaus humorvoll, vor allem aber musikalisch hervorragende Unterhaltung ist. In diesem Stil hätte es weitergehen können.
Stattdessen enstcheidet sich Borchert mit dem spärlichen Publikum eine Mischung aus öffentlicher Chorprobe und Improvisationsmusical auf die Beine zu stellen. Bereits der Technik-Teil bei dem der Entertainer erklärt, wie die Stütze beim Singen funktioniert, gerät etwas langatmig. Als er dann auf den Namen von Björn aus der ersten und Patrizia aus der zweiten Reihe eine wirre Geschichte um einen Riesenwurm und eine trampelige Fee zu spinnen versucht, entgleist der Abend leider. Der vom Publikum mehr oder weniger schief gesungene „Patrizia“-Refrain wird über 20 Minuten lang geprobt. Dem Ganzen fehlt der Spannungsbogen, die klare Linie.
„Kein Konzept“ ist das Motto des Abends. Wie streng man es damit nehmen muss, ist die Frage. Borchert ist ein hervorragender Entertainer und ein noch besserer Musiker. Es wäre sicherlich kein Beinbruch zum Anfang der Show gemeinsam mit dem mehr als willigen Publikum ein Grundkonzept zu entwickeln, in welche Richtung es in den nächsten Stunden gehen soll. Tatsache ist, dass der Versuch, alles auf sich zu kommen zu lassen und daraus im Vorübergehen eine unterhaltsame Show zu machen, mehr als gewagt ist.
Insbesondere die eingefleischten Borchert-Fans hätten sich sicherlich weniger Chorprobe und mehr Borchert am Klavier gewünscht. Der fetzig Finalsong „Tu das was du willst, egal was die anderen sagen“, den Borchert nach Zuruf der Worte „Barbier“ und „Solarium“ aus dem Publikum aus dem Ärmel schüttelt, beweist, dass hier Potential verschenkt wurde. Auch die – ebenfalls aus dem Stehgreif improvisierte – Ballade „Let us hold the moment“, die der Sänger als Zugabe spielt, zeigt die gesamte Bandbreite von Borcherts musikalischem Talent. Davon hätte man gern mehr gehabt.
Alles in allem ist „SPONTAINMENT“ eine interessante, mutige Idee, an deren Umsetzung Borchert in Zukunft allerdings noch etwas feilen wird müssen, damit am Ende ein rundum gelungener Abend herauskommt.
Text: Julia Weber
Sehr interessanter Bericht. Auch die Auslastung ist interessant.
Ich war voher schon skeptisch und jetzt froh, keine Zeit gefunden zu haben.