Klassisch: “Jesus Christ Superstar” Gastspiel in der Deutschen Oper

Über 40 Jahre hat Andrew Loyd Webbers Rockoper “Jesus Christ Superstar” schon auf dem Buckel. Nachdem die Gil Mehmert Inszenierung in Bonn und Dortmund große Erfolge feierte ist nun die West End Produktion (Regie: Bob Tomson) auf Deutschlandtournee. Den Zuschauer erwartet eine gesanglich hervorragende Produktion im klassischen Gewand.

Pamela Raith

Foto: Pamela Raith

Zwei Steinsäulen flankieren die Bühne, dazwischen ein goldenes Metallgerüst, von dem eine Freitreppe hinunterführt, die bei Bedarf zweigeteilt und zu den Seiten hin verschoben werden kann: Das Bühnenbild von Paul Farnsworth ist schlicht. Die einzelnen Szenenbilder werden in erster Linie durch die Lichteffekte (Nick Richings) dargestellt. So ist das Licht im Tempel von Priester Caiaphas rötlich, bei Jesus Einzug in Jerusalem erstrahlt alles in gelbgold und in Gethsemane herrschen Grüntöne vor.

Die Kostüme (ebenfalls Farmsworth) sind eine moderne Interpretation des Kleidungsstils der damaligen Zeit. Während Pastelltöne und gedeckte Farben vorherrschen, stechen Jesus weißes Gewand, Maria Magdalenas rotes Kleid und Herodes völlig abgedrehter Glitzerlook hervor. Ein besonders nettes Detail sind sicherlich die Schilde der römischen Legionäre. Mit der Inschrift SPQR wurden hier nämlich nicht hölzerne oder metallene Repliken versehen, sondern durchsichtige Plastikschilde, wie sie heutzutage von der Polizei genutzt werden. Den Tiefpunkt hinsichtlich der Bühnengestaltung bildet leider die Kreuzigungsszene. Es ist sicherlich eine Herausforderung einen Weg zu finden, diese darzustellen, ohne wahlweise in den Kitsch oder die Blasphemie abzurutschen. In diesem Fall vereinen sich Kitsch und Blasphemie wenn der martialisch – in einer sehr ausgedehnten Szene – ans Kreuz genagelte Jesus in bester Kruzifixmanier dahängt und vom “göttlichen” Licht des Deckenscheinwerfers beschienen wird.

Glenn Carter spielte die Rolle des Jesus bereits Ende der neunziger Jahre. In der aktuellen Produktion beweist er, dass er gesanglich auch mit über 50 noch in der Lage ist, die schwierigen Passagen von “Gethsemane” zu meistern. Ob seine eher klassische Herangehensweise an die Stücke (hohe Passagen werden grundsätzlich ausgesungen und nie geschrieen) gefällt, ist sicherlich Geschmackssache. Gerade im Vergleich mit “Judas” Tim Rogers wirkt seine Performance hin und wieder etwas blass.

Rogers überzeugt durch eine exzellente Aussprache, die es auch in den verzweifelten oder sehr schnell gesungenen Passagen möglich macht, jedes einzelne Wort zu verstehen. Sein Judas ist wütend, stark und präsent.

Dass die Interaktion zwischen Carter und ihm in manchen Szenen (insbesondere zu Beginn bei “Heaven on their minds”) zu wünschen übrig lässt, liegt nicht an den Schauspielern selbst sondern ist wohl auf die Regie zurückzuführen, die allgemein vermehrt auf statische Bilder setzt. So verharren die auf der Bühne anwesenden Nebendarsteller oft im Freeze um nicht vom Spiel der Hauptakteure abzulenken. Bei “Damned for all time” steht Judas in der Mitte der um ihn herum im Kreis schreitenden Priester und wenn Maria Magdalena Jesus vorschlägt “let me try and cool down your face a bit” und er antwortet “this is good”, ohne dass die beiden sich auch nur berührt hätten, lässt dies den Zuschauer etwas ratlos zurück. Insbesondere die Beziehung zwischen Maria Magdalena und Jesus kommt durch diese fehlende Dynamik nicht richtig zur Geltung.

Rachel Adededjs Stimme hat einen großen Wiedererkennungswert. Etwas jazzig, etwas rauchig und dann doch wieder absolut klar in den Höhen, liefert sie eine gute Performance ab. Auch Cavin Cornwall als Caiaphas und Alistair Lee als Annas sind ihren Rollen absolut gewachsen. Cornwalls warmer Bass und Lees starker Tenor ergänzen sich perfekt.

Für mitreißende Momente sorgen auch Johnathan Tweedie als Pontius Pilatus und Kristofer Harding als Simon Zealotes:

Tweedie schafft es, den Charakter des römischen Präfekten in all seinen Facetten auszuleuchten. Er setzt nicht auf große Gesten sondern spielt subtil aber mit großer Intensität und Bühnenpräsenz. Nach Hardings bravouröser Leistung in “Simon Zealotes” hätte man sich gewünscht, noch viel mehr von ihm zu hören.

Insgesamt bietet die West End Produktion von “Jesus Christ Superstar” gute bis sehr gute Unterhaltung mit einer gesanglich hervorragenden Cast und einigen wenigen inszenatorischen Fehlgriffen.

Text: Julia Weber

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