Das Musicalgenre lebt davon, dass Menschen mit ungewöhnlichen Ideen beschließen, daraus Musiktheater zu machen. “Hammerfrauen” (Buch: Robert Löhr) im Berliner Kabarett Theater “Die Wühlmäuse” ist das Produkt einer solchen ungewöhnlichen Idee. Das Stück unter der Regie von Craig Simmons ließe sich auch als “Eine Nacht im Baumarkt” zusammenfassen. Das klingt zunächst etwas seltsam, funktioniert dank starker Darsteller, schmissiger Musik (Benedikt Eichhorn) und liebenswerter, witziger – wenn auch nicht klischeefreier – Figuren jedoch hervorragend.
Julia (Julia Meier) und Mark (Christian Miebach) wollen heiraten. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch es gibt ein riesengroßes Problem: Mark ist begeisterter Heimwerker und Julia hat irgendwie verpasst, ihrem Verlobten zu erklären, dass sie sich damals nur im Baumarkt über den Weg gelaufen sind, weil sie eine neue Klobürste kaufen wollte. Die Vorstellung, eine alte Mühle im Brandenburger Land zu sanieren und das zu ihrem Lebensprojekt zu machen, ist ihr ein Gräuel und als ihr zukünftiger Ehemann ihr freudestrahlend den Hochzeitstisch im Baumarkt zeigt, auf dem sich statt Messersets und Obstschalen eine chinesische Flachsäge, ein Sack Zement und ein riesiger Hammer stapeln, zweifelt sie daran, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, “Ja” zu sagen. Ob der Heimwerker-Kurs nur für Frauen, zu dem Mark sie angemeldet hat, da Abhilfe schaffen wird?
Sie lernt die beiden Baumarktangestellten Enno (Michael Frowin) und Patrick (Marco Billep) kennen. Enno ist der superkorrekte Heimwerker-Halbgott aus dem “Fliesen legen” Video, Patrick ist zwar nicht mit viel Hirn dafür aber mit einem Adoniskörper ausgestattet. Die beiden sind an jenem Abend verantwortlich für den “Fliesen legen” Kurs, bei dem es recht feuchtfröhlich zugeht.
Mit Hausfrau und Mutter Cornelia (Caroline Beil), deren Mann das ganze Haus “kaputtrenoviert” hat, “Lesbe” Yvonne (Isabel Varell) und Partyqueen Kim (Julia Klotz) trifft Julia auf drei völlig unterschiedliche Frauentypen. Trotzdem freunden die vier sich schnell an. Als klar ist, dass Julia Bedenkzeit braucht um zu entscheiden, ob sie wirklich Bob den Baumeister heiraten möchte, besetzen die vier nach Ende des Kurses kurzerhand den Baumarkt. Enno und Patrick, zunächst mithilfe von Presslufttackern und Duschschläuchen Schachmatt gesetzt, werden Zeuge einer wilden Grillparty der Damen. Doch die Nacht bringt auch Überraschungen mit sich.
“Hammerfrauen” ist in seiner Grundidee simpel. Sicherlich ist die Story nicht klischeefrei, da die generell vorausgesetzte Unfähigkeit beziehungsweise Unwilligkeit von Frauen sich mit Heimwerken zu beschäftigen, sicherlich so nicht zutrifft. Wenn man jedoch darüber hinwegsieht, dass hier einige Klischees mit Begeisterung und im Überfluss bedient werden, ist “Hammerfrauen” in erster Linie ein humorvolles und starkes Musical, das wirklich Spaß macht.
Für die Songs wurden zum Großteil Melodien wiederverwendet und mit neuen Texten versehen. Schon gleich im Anfangsstück werden deutsche Schlager vom “Bruttosozialprodukt” bis hin zur “Biene Maja” verwurstet, später kommen auch bekannte englische Popsongs dazu. Die Mischung funktioniert jedoch, ist schmissig und mitreißend.
Die Darsteller sind allesamt hervorragend. Julia Meier überzeugt mit einer für ihre zierliche Statur überraschend kräftigen Stimme, Klotz beweist als Kim bei “Cocooning” Stimmfestigkeit in den Höhen und Varells rauer, leicht brüchiger Alt in “Wie lässt man das los?” passt hervorragend zur Figur der Yvonne. Bells Rockröhre kommt bei “Freiheit! Libertad!” so richtig zur Geltung, bei dem sie auch ihre Salsa-Künste unter Beweis stellen darf. Frowin punktet durch starkes Spiel und insbesondere während “Beim Verlegen von Fliesen” komödiantisches Talent und Billep nimmt man den etwas dämlichen Frauenhelden Patrick absolut ab. Dass er auch tänzerisch einiges zu bieten hat, kann er bei “Ich bin sensibel” beweisen (Choreographie: Betty Dir).
Miebachs Figur bleibt Skriptbedingt eher blass, dafür spielt er während einiger Szenen das als Teil des Hochzeitstisches getarnte Keyboard, welches im Stück das einzige Live-Instrument ist.
“Hammerfrauen” wird niemals langweilig oder langatmig. Einige der Szenen sind wirklich urkomisch, wobei auch das Bühnenbild (Bühne und Kostüm: Esther Bätschmann) eine große Rolle spielt. Die Regale, die sich in alle Richtungen drehen lassen, könnten so auch im Baumarkt um die Ecke stehen und bieten eine Fülle an Requisiten, die bis ins Letzte ausgenutzt werden. Ob Julia sich am Anfang hinter der Arbeitskleidung vor den Eltern ihres Freundes versteckt, Enno und Patrick durch die mit Pömpeln nach oben gedrückten Klodeckel die Grillparty beobachten oder Kim im Kakerlaken-Kostüm aus der Schädlingsbekämpfung herumtanzt: Ständig gibt es Lacher aus dem Publikum.
Tiefgreifendes Gefühlsmusical ist “Hammerfrauen” sicher nicht und möchte dies auch nicht sein. Was den Zuschauer jedoch erwartet ist ein buntes, urkomisches Spektakel mit fetziger Musik und tollen Darstellern.
Text: Julia Weber