Mittendrin statt nur dabei – “High Potentials” in der Neuköllner Oper in Berlin

16.12.2016

Schon am Eingang wird dem Zuschauer bewusst: Das von Johanna Martin und Matthias Messmer inszenierte Stück “High Potentials” ist ein wenig anders als das übliche Musiktheater. “Haben Sie schon ihr Namensschild? – Bitte geben Sie ihre Jacken noch ab, drinnen ist nicht so viel Platz.”

high-potentials_nini-stadlmann_urban-luig_marco-billep__24a2500

Foto: Matthias Heyde

Tatsächlich steht man schließlich in einem etwa 25 Quadratmeter großen Tagungsraum: Kahle Wände, blauer Teppichboden, in der Mitte ein orangenes Viereck. Vorne wird die inzischen wohl für jedes Seminar notwendige Power Point Präsentation an die Wand geworfen, daneben steht ein vollgekritzeltes Flipchart.

Es gibt keine Trennung von Zuschauerraum und Handlung. Das Publikum wird mit in die Show einbezogen und lässt dies überraschenderweise auch zum Großteil zu. Es geht darum, so die Ansage von “Seminarleiter” Urban Luig, dass hier die High Potentials der Firma versammelt seien, jene Menschen, denen eventuell demnächst eine Beförderung winke. Kommunikationsspielchen und das musikalische Wiederholen der Grundprinzipien im Job werden im Plenum durchgeführt und musikalisch von Nico Selbach unterstützt. Dann geht es weiter mit konkreten Beispielen und Rollenspielen zu Bewerbungssituationen und Mitarbeitergesprächen.

Und beinahe unbemerkt wandelt sich “High Potentials” vom Seminar dann doch zum Musiktheater, kann der Zuschauer einen Schritt zurücktreten, während die Hauptakteure Marco Billep und Nini Stadlmann um den wichtigsten Posten in der Firma kämpfen.

Dass man dabei Parallelen zum echten Leben erkennen wird, ist sehr wahrscheinlich. Auch sind die schauspielerische und sängerische Leistung von Billep, Stadlmann und Luig sehr gut. Und so gibt es am Ende auch von denen begeisterten Applaus, die anfangs noch eher skeptisch wirkten.

“High Potentials” ist experimentell, spannend und geht mit der anfänglichen starken Einbindung des Publikums durchaus ein Risiko ein. Nicht jeder fühlt sich wohl bei Rollenspiel und Gruppen-Gesang. Wer sich jedoch darauf einlässt, den erwartet ein Stück, das unsere heutige Firmenkultur überraschend gut abbildet und das Fragen aufwirft: Ein gelungenes Stück Musiktheater.

Text: Julia Weber

Dieser Beitrag wurde unter Musical, Rezension abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..