Wohlfühl-Musical: Hape Kerkelings „Kein Pardon“ in der Musikalischen Komödie Leipzig

 

Familie Schlönzke hat keine einzige Folge der Entertainment-Sendung „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ verpasst. Sohn Peter bekommt überraschend die Möglichkeit sein Idol Heinz Wäscher live und in Farbe kennen zu lernen und selbst in die Fernsehwelt einzutauchen und lernt schnell, dass Traum und Realität nichts miteinander zu tun haben. Thomas Hermanns hat Hape Kerkelings buntes Musical mit Wohlfühl-Faktor für die Musikalische Komödie inszeniert.

Muko Leipzig am 03.05.2017 "Kein Pardon"

Foto: Tom Schulze

Jahrein jahraus haben die Schlözkes gemeinsam in ihrem Wohnzimmer voller Nachkriegs-Mobiliar (Bühne: Hans Kudlich) die Show „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ im Fernsehen verfolgt. Für Omma Hilde, Oppa Hermann, Mama Hilma und Sohn Peter ist der Entertainer Heinz Wäscher der größte Star. Als Peter (Benjamin Sommerfeld) an einem Talentwettbewerb um „Deutschlands größtes Fernsehtalent“ teilnimmt, merkt er schnell, dass nicht alles Gold ist was glänzt und dass Heinz Wäscher (Cusch Jung) ein arroganter Sexist ist, der vom Regisseur bis zu dem bemitleidenswerten Lustigen Glückshasen alle Menschen in seinem Umfeld nur herumkommandiert. Im Laufe der Geschichte wird Peter eine Entwicklung durchmachen. Er wird in Tontechnikerin Ulla (Julia Waldmayer) eine echte Freundin finden, seine eigenen Fähigkeiten entdecken und lernen, dass Berühmtheit nicht glücklich macht.

Die Geschichte von „Kein Pardon“ ist recht schnell erzählt. Tatsächlich schwächelt das Buch auch zu Anfang des zweiten Akts ein wenig. Allerdings sieht man im Angesicht der durchweg absolut sympathischen und amüsanten Charaktere und der hervorragenden Leistung der Darsteller über diese Längen schnell hinweg. Familie Schlönzke ist einfach nur hinreißend. Eine Mittelschicht-Familie wie sie im Buche steht: Etwas schrullig, etwas schräg und immer ehrlich.

Die Geschichte spielt im Ruhrpott zwischen Bottrop und Heppenheim. Da keiner der Darsteller aus Nordrhein-Westfalen stammt, muss an dieser Stelle anerkennend angemerkt werden, wie unglaublich überzeugend die gesamte Cast von Heinz Wäscher bis hin zu Oppa Hermann (Hans-Georg Pachmann) den Dialekt und das Lebensgefühl dieser Gegend herüberbringen. Tatsächlich hat „Kein Pardon“ jede Menge lokale Einflüsse. Besonders deutlich treten diese zutage, wenn Hermann Schlönzke sein Akkordeon auspackt und im Chor mit einem Haufen Kumpels und Einwanderer „Dat Wär Doch Gelacht“ zum Besten gibt. „Funktioniert das überhaupt in Sachsen?“, könnte man sich fragen. Die Antwort ist: Es funktioniert hervorragend. Es wird geklatscht, mitgefiebert und gelacht.

Zum Teil ist das sicherlich der Tatsache zuzuschreiben, dass man die Charaktere rasch lieb gewinnt. Ob sich Omma Hilde (Iris Schumacher) und Mama Hilma (Anne-Kathrin Fischer) über Leberwurstschnittchen mit „Gürksken“ unterhalten, ob Peter und Ulla in „Wild und Frei“ von ihrem neuen Leben träumen oder Regisseur Bertram (Andreas Rainer) einen halben Nervenzusammenbruch bekommt, weil einfach nichts funktioniert, wie er es sich vorstellt: Die gesamte Besetzung legt eine großartige Spielfreude an den Tag.

Das „Fernsehballett“ (Choreographie: Natalie Holtom) liefert eine ebenso durchweg hochkarätige Leistung ab wie das Live Orchester (Musikalische Leitung: Stefan Klingele). Stimmlich sind alle Sänger auf hohem Niveau. Die drei absoluten Highlights der Show – wenn man vom Dauer-Ohrwurm „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ einmal absieht – sind alle Duette. In „Klingelsturm“ und „Wild und Frei“ vereinen sich mit Benjamin Sommerfeld und Julia Waldmayer die beiden stärksten Stimmen der Cast: Gänsehautfeeling garantiert. Sommerfelds klare Belting-Stimme überzeugt von Anfang an. Unaufgeregt und scheinbar mühelos bewegt er sich selbstbewusst durch die Songs. Bereits nach „Mein Kumpel Nummer Eins“ reißt er das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Waldmayer steht ihm mit ihrer voluminösen, straighten Rockröhre in nichts nach.

Der Titelsong „Kein Pardon“ schlägt leisere Töne an – die jedoch ebenso unter die Haut gehen. Sommerfeld und Anne-Kathrin Fischer vermitteln das Gefühl zwischen Mutter und Sohn sehr einfühlsam und treffen damit mitten ins Herz.

Alles in Allem ist die Leipziger Inszenierung von „Kein Pardon“ ein rundum gelungener Spaß und so klatscht am Ende das ganze Publikum begeistert mit, wenn es heißt: „Das ganze Leben ist ein Quiz.“

Text: Julia Weber

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