Zeitreise – “On The Town” in der Musikalischen Komödie Leipzig

“On The Town” kommt als Neuinszenierung (Cusch Jung) in die Musikalische Komödie Leipzig und beweist, dass das Stück von 1944 alles andere als angestaubt ist.

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Foto: Kirsten Nijhof

Irgendwann im Jahre 1944. Sechs Uhr morgens, am Hafen von New York. Drei Matrosen gehen von Bord. Sie haben einen Tag Landgang. Während Chip in erster Linie daran interessiert ist alle Sehenswürdigkeiten aus dem alten längst überholten Reiseführer seines Vaters abzuklappern, interessieren Ozzie nur die Mädchen der Stadt. Auch Gabey ist dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt, aber der hoffnungslose Romantiker verliebt sich prompt in das Plakat der “Miss U-Bahn” des Monats Juli, Ivy Smith. Da seine beiden Freunde ihn gerne glücklich sehen wollen, ist das erklärte Tagesziel schnell klar: Ivy Smith finden!

Chip gerät an die gerade gefeuerte Taxifahrerin Hildy, die Gefallen an ihm findet und ihn nach einer Stadtrundfahrt im geklauten Taxi glatt mit zu sich nach Hause nimmt, wo leider auch ihre erkältete Mitbewohnerin Lucy wartet. Ozzie verläuft sich und landet statt im Museum der modernen Kunst prompt im Naturkundemuseum, wo er zum “Versuchsobjekt” der Anthropologin Claire wird und – leider – auch einen Dinosaurier zerstört. Unverhofft findet Gabey sogar seine “Miss U-Bahn”, die sich nach einigem Hin und Her zu einem Stelldichein auf dem Empire State Building überreden lässt. Als sie dort nicht auftaucht beginnt für die drei Matrosen eine wilde Reise durch die New Yorker Nachtclub-Szene.

“On The Town” war Leonard Bernsteins erstes Musical und eine Weiterentwicklung von Jerome Robbins Ballett “Fancy Fee”. Nach der Broadway Premiere 1944 wurde das Stück 1949 mit Frank Sinatra als Chip und Gene Kelly als Gabey verfilmt. Seitdem gab es zahlreiche Wiederaufnahmen und Adaptionen.

Ganz klar ist “On The Town” ein Produkt seiner Entstehungszeit. Vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges entsteht hier eine Geschichte, die mit dem Krieg so überhaupt nichts am Hut hat. 24 Stunden lang müssen sich die drei Jungs von der Navy keine Gedanken ums Kämpfen machen und solange der Zuschauer sie begleitet, darf auch er entspannt schmunzeln oder befreit lachen.

Das im Stück vermittelte Frauenbild ist insofern interessant, als dass es in den 50er und 60er Jahren wieder eine Rückentwicklung gab und die Damen wieder eher brave und sittsame Heimchen am Herd sein sollten. Keine der weiblichen Figuren im Stück – vielleicht mit Ausnahme von Lucy – ist das Modell “Brave Ehefrau”. Nymphomanin Claire hat ihre Triebe nicht unter Kontrolle – metaphorisch unterstrichen durch ihren wilden Tanz mit Ozzie und den zum Leben erwachten Urmenschen im Naturkundemuseum. Hildy weiß genau was sie will – Chip! – und kriegt es auch. Selbst die niedliche kleine Ivy hat einen Traum, den sie beinahe schon ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt – und wenn sie dafür auf dem Jahrmarkt tanzen muss! Dass die drei Freunde von so viel Power mehr als einmal überrumpelt werden, ist die logische Schlussfolgerung.

Das Ensemble der Musikalischen Komödie sowie das Orchester unter der Leitung von Stefan Klingele sind wie immer mit Elan dabei. Die Choreographie von Natalie Holton ist anspruchsvoll, doch der hauseigene Ballettkader meistert die anstrengenden Tanzpassagen die die Geschichte immer wieder durchziehen mit Bravour.

Alle Beteiligten sind mit großer Spielfreude am Werk. Die Chemie zwischen den drei Pärchen stimmt ebenso wie die des Matrosentrios untereinander.

Ein echtes Highlight ist Chips (Andreas Rainer) Fahrt mit Hildy (Zodwa Selele) durch New York. Nicht nur hocken die zwei in einem winzigen gelben Taxi das in altmodischer Effektmanier vor einer Leinwand platziert ist, auf der die Fahrtbewegung simuliert wird, die schauspielerische Interaktion der beiden macht einfach Spaß.

Stimmlich die wohl interessanteste Kombination sind Claire (Nora Lenter) und Ozzie (Benjamin Sommerfeld). Ihr klassischer Sopran und seine eher poppige Stimme vereinen sich bei “Haut es mich um” zu einem überraschend harmonischen Ganzen.

EIn besonderes Augenmerk liegt jedoch auf Jeffery Krueger als Gabey. Seine Solo-Partien zeigen große stimmliche Brillanz auch in den Höhen, ebenso wie die Gabe, Emotionen durch Gesang zu transportieren.

Leonard Bernsteins Musik ist fetzig, jazzig und mitreißend. Zodwa Seleles Interpretation von “Ich kann kochen” geht in die Beine und lädt eher zum Mittanzen als zum Mitwippen ein, während das Abschiedslied “Dann vielleicht ein andermal” eher träumerisch-melancholisch wirkt.

“On The Town” ist kein Stück, bei dem großartig nachgedacht werden muss. Tiefgang gibt es hier kaum. Es ist ein Unterhaltungsstück und genau als solches funktioniert es: Als Zuschauer hat man Spaß, darf immer wieder über die Absurditäten und Albernheiten der Story lachen und langweilt sich keine Minute. Die Inszenierung in der Musikalischen Komödie (Bühnenbild: Karin Fritz, Kostüme: Aleksandra Kica) nimmt uns mit auf eine Zeitreise ins New York der 40er Jahre. Und wir gehen gerne mit!

Text: Julia Weber

 

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