Mehr als nur „Showtime“ – „Swinging 20s Night“ im Krystallpalast Varieté Leipzig

Die goldenen 20er: Es ist eine Zeit zwischen Nachkriegs-Euphorie und Börsencrash, eine Zeit des Aufbruchs, der Entdeckungen, des Fortschritts. Angelehnt an die Pavillons der Weltausstellung wird Ende des 19ten Jahrhunderts in Leipzig der Krystallpalast errichtet: Ein mehrstöckiges modernes Gebäude aus Glas und Stahl, in dem sich das erste Varieté-Theater der Stadt, die größte Vergnügungsstätte Deutschlands befindet. In den 1920er Jahren boomt das Geschäft. Selbst Weltstar Josephine Baker tritt im großen Saal vor 1800 Gästen auf.

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Foto: Nadja Kappel

Heute steht der Krystallpalast nicht mehr. Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört, das Varieté schien verloren, vergessen, ein Teil der Geschichte. Das heutige Krystallpalast Varieté entstand in den 90er Jahren, ist seinen Wurzeln jedoch treu geblieben. In der Show “Showtime” (Regie: Urs Jäckle) werden diese Parallelen besonders deutlich. In Filmsequenzen wird der Geist der 20er heraufbeschworen. Kostüme (Elisabeth Schiller-Witzmann) und Geschichten lassen die Erinnerungen an den alten Krystallpalast wieder aufleben.

Als Special zur bereits seit November laufenden Show luden die Veranstalter am 8. Februar zur “Swinging Twenties Night”. Der Zuschauer war eingeladen sich ganz in die Goldenen 20er zurückzuversetzen und so erschienen fast alle an diesem Abend in entsprechender Garderobe und begaben sich auf die kleine Zeitreise: Flapperkleider, Hosenträger und Schirmmützen bestimmten das Bild.

Conférencier Alexander Merk führt charmant durch die Show und verknüpft die einzelnen Varieté-Nummern mit Geschichten rund um die 20er und den alten Krystallpalast. Teilweise wirken die Erzählpassagen und Witze jedoch zu stark geskriptet. Etwas mehr Spontaneität hätte den jungen Zauberkünstler, der das Publikum mit immer neuen Tricks zu verblüffen weiß, sicherlich gut getan.

Wie immer hat der Krystallpalast eine ganze Reihe hochkarätiger Künstler gefunden, die den Abend gestalten und das Publikum hervorragend unterhalten: Seien es die Jonglierkünste von Ivan Radev oder Albert Tröbiger, die witzigen Schattenspielereien von Mihail Mihelev, die akrobatisch anspruchsvollen Aerial-Nummern von The Dazzling Daisies oder der atemberaubend-verrückte Rola-Rola Balanceakt von Monsieur Chapeau: Langweilig wird es definitiv nie an diesem Abend.

Die “Swing Delicatessen” (Leitung: Daniel Vargas) begleiten die Show mit passender Livemusik. Dabei steht die Band mit auf der Bühne und bietet so manchen bekannten Ohrenschmaus vom althergebrachten “It don’t mean a thing if it ain’t got that swing” bis hin zu Bearbeitungen kontemporärer Popsongs dar.

Im Anschluss an die Show folgte die Tanznacht. Zur Plattenauswahl von DJ Herr Räng durften alle Gäste das Tanzbein schwingen. Für jene, die noch nie den 20er Jahre Charleston getanzt hatten, gab es zuvor eine kurze Einführung im Foyer. Passive Zuschauer wurden nun aktive Darsteller ihrer eigenen kleinen Geschichte und reisten begeistert tanzend durch die Zeit.

Dem Krystallpalast ist mit der “Swinging Twenties Night” ein hervorragender Hybrid aus Show und Party gelungen. Wir sind schon gespannt auf Folgeprojekte – vielleicht geht die Reise ja nächstes Mal in die Zeit der Industrialisierung oder auch in die 30er Jahre?

Text: Julia Weber

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