George Bernard Shaws “Pygmalion” auf dem das durch den Film mit Audrey Hepburn weltberühmt gewordene Musical “My Fair Lady” beruht hat schon ein ganzes Jahrhundert auf dem Buckel. Andreas Homokis Neuinszenierung des Klassikers an der Komischen Oper kommt allerdings trotz allen historischen Kolorits spritzig und modern daher.

Foto: Iko Freese
Sprachforscher Higgins begegnet auf der Straße dem Blumenmädchen Eliza. Er behauptet, dass es alleine der Gossensprache geschuldet sei, dass man einen Menschen in die Unter- oder Oberschicht der Gesellschaft einordnen könne. Er beginnt ein gewagtes Experiment: Eliza soll Sprachunterricht bei ihm nehmen und dann in die vornehme Gesellschaft eingeführt werden.
Wie bringt man den Unterschied zwischen Cockney Slang und Queens English auf eine Deutsche Bühne? In Berlin “janz eenfach” indem man die Arbeiter berlinern lässt, was das Zeug hält wie schon in der deutschen Urfassung von Wolfgang Jansen, während sich die Aristokraten eines gestochen scharfen Hochdeutschs bedienen. Homoki transferiert die Handlung zusätzlich noch aus den 1910er in die 1920er Jahre, um den Klassenunterschied zwischen arm und reich deutlicher herausstreichen zu können.
Die Kostüme von Mechthild Seipel tragen ihren Teil dazu bei, dass sich der Zuschauer gleich in die Roaring Twenties zurückversetzt fühlt. Dreiteilige Anzüge, Zylinder und Bowler, figurbetonte Kleider mit Strass auf Seiten der Oberschicht kontrastieren mit Schiebermützen und blauen Arbeitshosen bei der Unterschicht. Aus diesem ingesamt sehr runden Look fällt lediglich der transsylvanische Professor Zoltan Karpathy (Zoltan Fekete) heraus, der als überkandidelter, abgehobener Irrwisch durch die Szene beim Botschaftsball fegt.
Die Musik von Frederick Loewe wird live vom Orchester der Komischen Oper unter der Leitung von Kristiina Poska gespielt. Was da aus dem Orchestergraben dringt, ist mitreißend, schmissig und perfekt auf die Darsteller abgestimmt.
Katharine Mehrling macht als Eliza einen hervorragenden Job, auch wenn ihre Performance regiebedingt gerade während “Wart’s nur ab, Henry Higgins” hin und wieder ein bisschen zu sehr in Richtung Lolita abrutscht. Man nimmt ihr die Jungmädchenrolle noch immer ab und die Nummern sind für ihre Chanson-Stimme wie geschaffen, was sie besonders bei “Ich hätt getanzt heut Nacht” unter Beweis stellen kann.
Die zweite starke Stimme im Ensemble ist Johannes Dunz als Feddy Eynsford Hill, der für “Denn ich weiß in der Straße wohnst du” wohlverdient den längsten Szenenapplaus bekommt.
Das Duo aus Max Hopp als Higgins und Christoph Späth als Oberst Pickering ist zum Schreien komisch. Auch wird sich nicht gescheut, einige Zwischentöne im Stück anklingen zu lassen, die es so im Original nicht gibt. Da leben diese beiden exzentrischen Herren zusammen in einem Haus. Der eine trägt violette Pantoffeln, der andere petrolblaue und während “Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann” könnte man in die Interaktion der Beiden durchaus mehr hineinlesen als eine typische Männerfreundschaft.
Ein besonderes Augenmerk gilt dem Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann. Eine ganze Ansammlung riesiger Grammophone und zwei sich gegenläufig bewegende Vorhänge, mehr braucht es nicht, um die ganze Szenerie zum Leben zu erwecken.
Die Choreographie (Arturo Gama) ist anspruchs- und effektvoll. Ob die ein wenig an Tap-Dance erinnernde Tanzeinlage der Arbeiter bei “Wäre det nich wundascheen” oder die Tango-Einlage bei “Es grünt so grün”: Alles ist stimmig und vereint sich mit der Musik und dem Bühnen- und Kostümbild zu einer bunten, mitreißenden Wunderwelt, die man am Ende des Abends nur ungern wieder verlässt.
Text: Julia Weber